gabel und nachtigal
zurück
 



GABEL UND NACHTIGAL
Oder vom Wunsch und der Angst des Menschen, sich selbst zu erschaffen



Die Abende waren die Zeit der Nachtigal. Oft stellte ich mich ans Fenster um ihr zuzuhören.
Eines Tages entdeckte ich beim Abwaschen, dass sich mit zwei gewöhnlichen Gabeln, schlägt man sie in einem gewissen Winkel und Rhythmus zusammen, der Gesang der Nachtigal nachahmen liess.
Am folgenden Abend stellte ich mich ans Fenster, um der Nachtigal zuzuhören. Die Nachtigal war durch gewöhnliche Gabeln ersetzbar. Ich war enttäuscht.
In der Nacht träumte ich.
Am nächsten Morgen betrachtete ich die zwei Gabeln lange.
Von diesem Tag an legte ich die zwei Gabeln jeden Abend auf den Fenstersims, auf dass sie in der Nacht mit der Nachtigal singen mögen.

[alw, märz 2000]






mensch und maschine
verliert ein vorgang durch seine künstliche reproduzierbarkeit, logische erfassbarkeit seine faszination?

„in st. louis im US-staat missouri programmiert steve thaler, ehemals forscher bei flugzeughersteller mcdonnell douglas, eine „creativity machine“: ohne menschliche unterstützung soll der computer lernen, texte zu verfassen oder musik zu komponieren. sollten solche unterfangen erfolgreich sein, würde sich den forschern möglicher-weise eine ziemlich unbequeme frage stellen. denn wenn man ein von transistoren gelenktes gerät mit datensammlungen und algorithmen so intelligent, kreativ und einfühlsam machen kann wie seine schöpfer, liegt der umkehrschluss nahe, auch menschen seien nur seelenlose organismen, gesteuert von den 100 milliarden nervenzellen der hirnrinde.“
[dani metzger, tages-anzeiger, 13. september 1999]